Schlafräume

Elion kam mit seinen Begleitern am Schloss an. Eine ältere Dame, mit langen, weißen Haaren stand an der Tür und säuberte irgendetwas.
"Wer seid ihr?", fragte sie verwirrt und begutachtete Elions Trupp.
"Elion Cliff. Die beiden hier bräuchten eine Unterkunft. Und er..." Elion deutete mit dem Daumen auf Kyoko. "müsste mal untersucht werden."
Die alte Dame nickte eifrig und bat die Gäste herein. Hier wimmelte es nur so von Vampiren. Überall liefen sie herum und tätigten ihre Aufgaben. Die alte Dame führte Elion in einen Gang, in dem alle Türen gleich aussahen. Nur die Raumnummern waren unterschiedlich. Die Vampirdame öffnete eine der vorderen Türen und half den vier Personen rein. Es war ein schlicht eingerichteter Raum, mit jeweils einem Bett an jeder Wand. Elion hievte Kyoko vorsichtig von dem Pferdevieh herunter und legte ihn auf eines der Betten. Dieses wurde ganz nass, aufgrund des durchnässten Körpers. Elion sah auf den Jäger herab. Würde schon wieder trocknen... konnte ihm egal sein...
Er warf sich selber auf das nächstbeste Bett und wartete bis ein Arzt oder ähnliches kam. Doch bevor ein solcher den Raum betrat, war er eingeschlafen...

Als Kyoko vorsichtig die Augen öffnete, lag er auf einem weichen Bett.
Was war hier los und wo war er? Er versuchte sich aufzurichten, doch ein merkwürdiger dumpfer Schmerz zog sich durch seinen Körper.
Erleichtert entdeckte er Ryuuk, der sich in einer Ecke des Raumes zusammen gerollt hatte.
"Ryuuk...", murmelte er und dieser kam sofort zu ihm hinüber getrottet.
Das Tier legte ihm die Schnauze in die Hand und stubste diese leicht an.
Eine merkwürdige Wärme durchströhmte Kyokos Körpe und er streichelte dankbar seinen Kopf.
Etwas kraftlos blickte er sich im Zimmer um. Neben ihm stand noch ein Bett, auf dem sich Elion breitgemacht hatte.

Ein dumpfes Geräusch ertönte. Elion schreckte auf und sah sich um. Er saß in einem vollkommen verdunkelten Raum. Um ihn herum befand sich nichts. Er saß in Nachthemd auf einem riesengroßen Bett und hörte von draußen schrecklichen Lärm. Verwirrt sah er an sich herab. Er war klein! Zitternd betrachtete er seine Hände und tastete danach sein Gesicht ab. Keine Narben, junge, weiche Kinderhaut. Schnell sprang er auf. Neben seinem Bett hing ein Spiegel, in dem er sich jetzt klar und deutlich sehen konnte. Aber als Kind. "Nein... nicht möglich!" Mit pochendem Herzen riss Elion die Tür auf. Der Gang war leer, doch auf der naheliegenden Treppe konnte er deutlich Schatten erkennen. Und er hörte Schreie... Schreckliche, hohe Schreie seiner Mutter. Mit schreckgeweiteten Augen rannte er die Treppe herunter und schaffte es unentdeckt zu bleiben. Er schlüpfte in die nächste Tür. In dem Raum befand sich seine schreiende Mutter. Neben ihr lag zusammengekauert eine weitere Gestalt. Verstümmelt, zerfetzt und völlig ramponiert. Elion konnte sie nicht zuordnen. "Elion... nein... VERSCHWINDE! SCHNELL! RETTE DEIN LEBEN!" Die hysterische, schwarzhaarige Frau hielt sich die Hände vors Gesicht. "V-versteck dich hier im Schrank... schnell!" Sie schubste ihren Sohn vor sich her. In den großen Wandschrank, doch bevor sie die Türe des Schranks schließen konnte, ging eine weitere Tür auf. Und zwar die des Zimmers. Eine in schwarz gehüllte Gestalt trat ein und sah die verzweifelte Mutter mit ihren rot glühenden Augen an. Sie zog eine Pistole aus dem pechschwarzen Mantel und richtete sie auf die beiden Vampire. Elion sah das Wesen genau an. Er traute seinen Augen kaum. Nein, das konnte doch nicht... "Kyoko...?", stotterte er verdattert. Die Gestalt grinste fies und drückte blitzschnell ab. Ein lauter Knall, der Schrei seiner Mutter und schließlich bedrückende Leere...

Schweißgebadet wachte der Vampir auf. Was war das? Ein Alp/btraum? Neben Elion, auf einem anderen Bett saß Kyoko, der Elion etwas verwirrt anschaute.

Kyoko starrte ihn verwundert an.
Was war denn mit dem los? Wieso guckte er ihn so merkwürdig an?
Letztendlich schaffte er es doch, sich aufzurichten und versuchte den Schmerz zu ignorieren.
Misstrauisch konnte Kyoko seine Augen nicht von ihm abwenden.
"Was ist los mit dir? Und wo sind wir?"

"N-nichts...", flüsterte Elion und hielt sich eine Hand an die Stirn. Was hatte das denn eben zu bedeuten? Träume haben doch eigentlich immer eine Bedeutng. Aber der...
"Wir sind in einem Schloss...", erklärte Elion dem geschwächten Jäger.
Hatte der Traum etwas mit dem Blutverlust oder dem Biss zutun? Seltsam.

"Aha.", murmelte Kyoko geschwächt und er strich sich die Haare aus dem Gesicht, doch sie fielen ihm immer wieder in die Augen.
Er seufzte.
"Bitte sag, dass wir nicht in diesem Vampirschloss sind...", flüsterte er tonlos, sodass Elion ihn nicht hören konnte.

Elion lugte zu Kyoko rüber. "Leg dich lieber hin...", flüsterte dr Vampir in Kyokos Richtung. Er sah wirklich noch ziemlich schwach aus. Hoffentlich kam der Arzt bald. Nicht weil Elion sich Sorgen machte, sondern weil er endlich wegwollte... wieso ließ er Kyoko nicht einfach alleine? Das konnte er sich selbst nicht erklären. Wahrscheinlich blieb er einfach hier, weil er selber irgendwie müde war.

Kyoko ließ sich wieder in sein Kissen sinken und atmete schwer.
"Wieso geht es mir eigentlich so schlecht? Ich fühl mich, als hätte man mich zusammengeschlagen und dann von 'ner Kutsche überrollen lassen..."
Plötzlich klopfte es an der Tür.

"Nicht ganz.", entgegnete Elion, als es auf einmal klopfte. Ein alter, kleiner Herr mit weißen Haaren die in alle vier Himmelsrichtungen zeigten kam hereingedackelt und trug einen riesigen Arztkoffer mit sich. "Sho, wer ish denn der Verletshte?", quiekte er und blickte zwischen Elion und Kyoko hin und her. "Er.", sagte Elion knapp und deutete mit dem Daumen auf Kyoko. "ShoSho...", gab der kleine von sich und watschelte zu Kyoko rüber. "Dann tshie mal dash Oberteil aush."

Etwas misstrauisch tat Kyoko, was ihm gesagt wurde. Er streifte sich den Mantel von den Schultern und zog sich das nasse Hemd(das er nicht hat^^) über den Kopf.
Jetzt zeigte sich ein blasser aber trotzdem stabil gebauter Oberkörper mit mehreren Narben von Verletzungen bei Kämpfen gegen Vampire.
Er äugte etwas reserviert auf den winzigen Löwenzahnkopf und räusperte sich.

Elion schielte aus dem Augenwinkel zu Kyoko.Sein Körper sah schon irgendwie gut aus. Wäre er eine Frau, würde er das sicherlich denken. Aber er war keine...
Elion schlug die Beine übereinander und sah dem Liliputaner bei der Arbeit zu.
"Showeit fehlt dir nishts... ish denke du brauchsht nur etwash Ruhe. Und crem dich damit ein, damit deine Wunden verheilen. Am beshten am gantshen Oberkörper." Mit diesen Worten drückte der Kleine Kyoko eine Tube in die Hand und verschwand ganz schnell aus dem Raum.
Wieso cremte der ihn eigentlich nicht ein? An den Rücken und so kam Kyoko doch sowieso nicht...

Kyoko seufzte.
"Seh ich aus wie Lucy aus Elfenlied? Wie soll ich denn an den Rücken kommen?..."
Egal. Er kleckste sich etwas von der Creme auf die Handfläche und verteilte sie uber den ganzen Oberkörper. Jetzt wusste er nicht mehr weiter. Da blieb ihm nur noch eins übrig.
"Kannst du mir mal helfen......", murmelte er ohne ihn anzusehen. Und etwas widerwillig fügte er hinzu: ".... Bitte?"

Elion blieb erst eine Weile sitzen und dachte über diese äußerst große Bitte nach.
Hatte er ihm nicht schon genug geholfen? Naja, wenns denn sein musste.
Seufzend stand Elion auf und ging zu Kyoko rüber. Er packte ihn an den Schultern, drehte ihn mit einer kurzen Bewegung in die andere Richtung und nahm ihm die Creme aus der Hand. Er musste zugeben, der Körper war wirklich schön. Elion nahm einen Klecks Creme auf die Hand und schmierte Kyokos Rücken sorgfältig ein. Er fühlte sich irgendwie weich und zart an. Wie ein Babypo... Naja, oder so ähnlich!

Kyoko ließ alles mit gesenktem Kopf über sich ergehen.
Es fühlte sich irgendwie gut an, wenn man ihm über den Rücken strich.
Ja, wenn MAN ihm über den Rücken strich. Denn an dem Vampir lag es garantiert nicht.
Auf gar keinen Fall.
Oder doch?
NEIN!
Eine innere Diskussion führend verkreuzte er die Hände im Schoß.

Elion verteilte den Rest der Creme an Kyokos Schultern und warf die Tube wieder aufs Bett.
Er betrachtete den Jäger eine Weile. Seit der ersten Begegnung hatte er sich wirklich verändert. Er war stiller. Nicht mehr so aufbrausend wie zuvor. Lag es vielleicht an dem Biss? Wahrscheinlich hat es einfach an dem inneren Vampir gelegen. Denn so wie er jetzt war, mochte Elion ihn schon fast.
"Was machst du jetzt?", fragte Elion monoton.

"Keine Ahnung.", gab er offen zu und stützte sich an der Stirn ab.
"Ich hab absolut keine Ahnung."
Gedankenversunken und irgendwie bedrückt strich er Ryuuk über den Kopf.
Dieser schnaufte genüsslich und legte seinen Kopf auf Kyokos Schoß.

"Was ist das da eigentlich?" , fragte Elion und überkreuzte erneut seine Beine. Er hatte sich schon die ganze Zeit über gefragt, wie man an so ein Vieh kommen konnte und überhaupt: was es für ein Wesen war. Es gab nur wenig Sachen die Elion noch nie zuvor gesehen hatte.

"Ich hab keine Ahnung.", sagte Kyoko erneut. "Langsam hab ich das Gefühl, dass ich von überhaupt gar nichts eine Ahnung hab."
Er schaute dem Tier in die blutroten Augen.
"Es ist einfach Ryuuk. Ich hab ihn gefunden, als ein paar Bauern ihn verbrennen wollten."

"Aha.", antwortete Elion kühl. Die Stimmung war wirklich lahm. Er wollte über irgendwas reden. Wollte er zwar sonst nicht, aber jetzt war es der Fall. Seltsam...
"Wieso hast du- oder wieso verabscheust du Vampire so?", fragte Elion und sah Kyoko ernst an. Er wollte jetzt eine richtige Antwort darauf!

Kyoko schluckte.
"Ich fnde es schrecklich, dass sie anderer Menschen Leben beenden, nur um sich selbst am Leben zu erhalten. Und ich habe meinem Großvater geschworen Vampirjäger zu wreden. Er war selber einer, aber einer der richtig agressiven Sorte. Er hat mich immer träiniert, auch schon als Kind. Er hat mich als Kind gegen einen Vampir kämpfen lassen. Und das bevor ich überhaupt etwas gelernt hatte. Er hat mir zugesehen und geguckt, was ich konnte. Kurz bevor ich gestorben bin hat er mich dann gerettet. Aber nur um keinen Ärger mit meinen Eltern zu kriegen. Er hättte mich sterben gelassen." Kyoko starrte auf seine Stiefel.
"Eines Tages hat er mir eine Pistole in die Hand gedrückt und in eine Höle voller unkontrollierter Vampire geworfen, die mich dann fast zerfetzt haben. Ich war neun. Und immer hat er alles auf die Vampire geschoben, seine eigenen Fehler waren immer die Vampire schuld.
Ich hab vieles gesehen und dann irgendwann meinen eigenen Hass aufgebaut...."
So viel hatte Kyoko schon lange nicht mehr auf einmal geredet.
"Langsam bin ich mir sicher, dass sich ein Teil des Hasses auf meinen Opa-... Großvater bezieht."

"Soso..." War ja keine schöne Geschichte. Aber welch eine Ironie: Kyoko hasste Vampire und Elion hasste Menschen!
Erneut nahm er sein rotes Tuch runter und präsentierte die Wunden. "Willst du wissen wie das passiert ist?" Ohne auf eine Antwort zu warten fuhr er fort. "Meine Familie- wir bestanden nur aus Reinblütern, obwohl wir hauptsächlich Tierblut und das alter Menschen tranken- bewohnte ein kleines Schloss, ziemlich verborgen nördlich von hier. Vor vielen Jahren kam eine Horde Vampirjäger. Sie töteten alle-" Elion stoppte und sah zu Boden. Jetzt nicht sentimental werden. Einfach nur erzählen! bis auf mich. Ich wurde in ein Forschungslabor gebracht und für Experimente missbraucht. Sie gaben mir allerdings zu viele Medikamente und Spritzen, denn irgendwann war ich stark genug um auszureißen..."

"Oh jeh.... Scheint so als hätest du auch keine schöne Kindheit gehabt."
Kyoko seufzte. "Diesen Aufgabenbereich kann ich nicht leiden."
Und das war wahr. Oft genug hatte man ihm vorgeschlagen mal in diesem Bereich zu arbeiten oder auszuhelfen, aber das fand er selbst für Vampire zu grausam.
Er war immer mehr für die schnelle Methode. Knall und aus. Kyoko zuckte bei diesem Gedanken zusammen. Knall und aus.
War er überhaupt besser als diese Vampire?

"Man kann es nicht als Kindheit bezeichnen...", meinte Elion spöttisdh. "Dieser Aufgabenbereich? Es gibt also verschiedene Bereiche?! Einfach abknallen oder experimentieren? So, für euch sind wir also wie Tiere. Widerlich..." Elion verengte seine Augen und funkelte Kyoko wütend an. Nicht auf ihn persönlich war er sauer... sondern mehr auf alle Jäger dieser Welt, aber irgendwie musste er jetz seine Wut zeigen, also musste Kyoko hinhalten.

Kyoko schluckte und fühlte sich merkwürdig vor den Kopf gestoßen.
"E-Es gibt vier Aufgabenbereiche. E-Einmal die, die Töten, dann die, die experimentieren, die, die die schlimmsten heraussuchen und Aufträge erteilen und die schlimmsten...., die... bestrafen.Die sind aber neu und für die brutalsten Vampire gedacht, die Vampire, die einfach aus Langeweile oder Spaß töten.", stammelte Kyoko und ihm wurde erst mal klar, wie grausam auch Vampirjäger sein konnten. Er schluckte wieder.
"Die Experimentierenden versuchen ein Gegenmittel zu finden, dass Vampire wieder zu Menschen werden. Aber ich glaube.... Ich glaube nicht, dass das jemals möglich sein wird."

"Mit deren Methoden sicherlich nicht... sie haben kein Gegenmittel gesucht! Sondern nach einem Mittel das Vampire auf der Stelle tötet." Elion murrte wütend vor sich hin. "Früher gab es noch keins, also testeten sie einiges an mir!"
Elion stand auf und sah auf Kyoko herab. Er nahm erneut sein Tuch ab
"Und hier ist das Resultat." Mit funkelnden Augen baute er sich vor dem sitzenden Kyoko auf. "Manche Vampire töten Menschen aus Spaß. Ja, aus Trotz. Wer hat wohl angefangen die andere Rasse zu jagen? Weiß wohl keiner... Aber wer auch immer damit angefangen hat, ob Mensch oder Vampir, ich hasse ihn dafür!"