Der dunkelste Teil des Waldes

Aufmerksam ritt Kyoko auf Ryuuk durch den Finsterwald.
Er wusste, dass er stehts aufpassen musste, selbst wenn er blinzelte, konnte einer dieser widerlichen Lebensschänder ihn von hinten angreifen und töten. Oder noch schlimmer: ihn zu einen von ihnen machen. Der Gedanke ekelte den schwarzhaarigen an und verwarf ihn mit einem Kopfschütteln.
Sanft streichelte er seinem Begleiter über den hals und dachte daran, wie er ihn gefunden hatte.
Als Baby eingesperrt in einem Käfig. Und obwohl er niemandem etwas getan hatte, wollten die stehts abergläubischen und ängstlichen Dorfbewohner ihn verbrennen.
Seitdem Kyoko ihn befreit hatte, war er ihm ein treuer Diener und Beschützer, wenn er in lebensgefährliche Situationen kam. Auch wenn das nur ziemlich selten vor kam.
Und wiedereinmal dachte Kyoko darüber nach, auf was für einem Wesen er da ritt. Er wusste es nicht. Er wusste nur, dass er ihn an eine Kreuzung aus Greif, Löwe und Pferd erinnerte...
Langsam doch nicht mehr so aufmerksam, ritt er noch tiefer in den Wald hinein.

Elion wanderte tief in den finsteren Wald hinein. Es war eine ungemütliche Nacht und er witterte etwas Ungutes. Von weit weg konnte er den Geruch eines Menschen erkennen. Und den eines anderen Wesens, welches er nicht zuordnen konnte. Sein roter Schal flatterte im kühlen Nachtwind und seine roten Augen funkelten. Er näherte sich dem Menschen. Doch in Anbetracht dessen, dass dieser ein so rätselhaftes Wesen bei sich hatte, behielt der Vampir Vorsicht. Kämpfen mochte er ohnehin nicht gerne. Nun stand er zwischen einigen dunklen Tannen und nur zehn Meter vor ihm befanden sich die zwei Wesen. Vampirjäger! Das konnte Elion erkennen. Er verabscheute diese Leute. Sie hatten einen völlig falschen Eindruck von der schwarzen Lebensform und wollten nur eins: Vampire ausrotten. Damals wurde er einigen zum Opfer. Gefangen, gefässelt, missbraucht für Experimente. Elion wurde wütend, doch das sah man ihm keinesfalls an. Sein halbes Gesicht war mit dem Tuch verdeckt, seine Augen zeigten keine Regung und die Schwarz-silbernen Haare wehten um ihn herum, während er beide betrachtete, welche ihn noch nicht bemerkt hatten.

Kyoko stieg von Ryuuk hinab und lief jetzt neben ihm her.
Er hatte das ungute Gefühl, dass er beobachtet wurde...
Langsam ließ er den Blick seiner roten Augen durch den Wald schweifen.
"Komm raus, widerlicher untoter Haufen Scheiße..."
Mit der linken Hand zog er seine nachtschwarze Pistole und suchte das Dickicht nach dem Dreckskerl ab.

Elion trat einen Schritt vor. Noch so ein Vampirjäger, der irgendein Vorurteil gegen Vampire hatte. Natürlich, das hatten sie ja alle. Die dunkle Pistole war nun direkt auf ihn gerichtet. Angst hatte er nicht. Wär ja noch schöner... Haufen Scheisse könnte er zu seinem Gegenüber ebenfalls sagen. Regungslos blieb er stehen und beobachtete die Reaktion des Jägers. Nur im Notfall würde er seine Waffe ziehen. Doch so wie es aussah, war das bald nötig. Ätzend.

Mit ausdruckslosem Gesicht hielt Kyoko immer noch seine Waffe auf den Vampir gerichtet. Wieder einmal lag ihm die Frage auf der Zunge, die er sonst nie stellte. Doch diesmal rutschte sie aus ihm heraus.
"Wie viele Menschen hast du getötet? Und wie viele waren davon Kinder?"
Der silbrige Mond schien auf die Baumwipfel und wurde von einigen Wolken durchzogen.
Eine kühle Briese ließ sein Haar im Wind wehen und mit starren Blick wartete er auf die Antwort des Vampirs.

Elion grinste unter seinem roten Tuch. Was sollte die Frage? War er wirklich so naiv? Glaubte er alles, was er hörte? Vampire sind blutsaugende Monster. Sie können nur in der Nacht raus. Tagsüber schlafen sie in Särgen. Sie überfallen oft schutzlose Dörfer bei Nacht und töten alle Menschen, die sie finden. Wahrscheinlich würde er gleich noch mit einer Knoblauchzähe vor ihm rumtanzen.
"Wer will das wissen?", fragte Elion leicht mürrisch. Eine Regung war in seinem Gesicht, wie zuvor, nicht zu erkennen!

Kyoko blickte ihn ausdruckslos an.
Doch ins einem Inneren wurde er mürrisch.
Was bildete sich dieser Blutsauger eigentlich ein?
"Du bist es nicht wert, meinen Namen zu kennen."
Damit entlud er knackend seine Pistole.

"Ist das so?" Elion schloss die Augen. Urplötzlich stand er vor dem Jäger und sah ihm bedrohlich in die Augen. Er streckte seine blasse Hand aus und hielt den Lauf der für ihn tödlichen Waffe fest. Dabei starrte er sein Gegenüber weiter an.
"Du bist nicht mal meine Gegenwart wert. Kennst du Vampire persönlich? Die Antwort lautet gewiss 'Nein'. Also, deine Vampirkenntnisse?" Elions Sätze waren in der Regeln immer kurz und knapp.

Kyoko grinste jetzt auch.
"Du kannst mir glauben, dass ich schon sehr viele Vampire kennen gelernt und gerlernt habe sie alle zu hassen."
Er packte das Handgelenk des Vampirs und drückte fest zu, als er es von der Waffe nahm.
"Und die Tatsache ist: Ihr tötet um zu leben, um euren Durst zu stillen. Ihr löscht das Leben unschuldiger Menschen aus, nur damit ihr noch ein paar Jahrhunderte länger zu leben. Und das verabscheue ich, Blutsauger. Also wenn es dir nichts ausmacht, lösch ich dich jetzt aus."
Damit richtete er seine Waffe auf den Vampir und drückte ab.

Elion dachte daran, wie sehr ihn seine Eltern damals geliebt haben. Sie waren Vampire, trotzdem hatten sie eine Seele und ein Herz. Wollten damals alles tun um ihn zu beschützen. Doch die Vampirjäger hatten sie ausgelöscht und ihnen keine Chance gegeben sich zu verteidigen. Bei Tag hatten sie das Schloss überfallen. Elion erinnerte sich noch gut daran. Doch an dem was der Jäger sagte, war eteas wahres dran. Viele Vampire lebten so. Sie tranken sogar viel zu viel menschliches Blut. Aber da gabs noch die andere Gruppe. Die, die entweder das Blut von Tieren tranken, oder die, die kurz vor dem Tod eines Menschen zuschlugen. Aber für die Jäger war es selbstverständlich, dass der Tod einzig und allein Mord war.
Es gibt verschiedene Menschen... aber bei Vampiren war das nicht möglich? Schwachsinn!
Elion trat einen Schritt zurück. Nur zu. Sollte er doch schießen, wenn er unbedingt wollte. Irgendwofür mussten die ganzen Experimente früher ja gut sein.
"Nur zu...", flüsterte er betrübt.

Kyoko stutzte und ließ die Waffe sinken.
ER LIEß DIE WAFFE SINKEN? Was war denn mit ihm los? Das war ihm noch nie passiert!
"Ich hatte schon meine Gründe, weshalb ich gefragt habe, wie viele Menschen du getötet hast. Und wie viele Kinder darunter waren. Ich verabscheue es, wenn Vampire Kinder töten. Ich habe es schon oft genug mit erlebt. Aber aus irgendeinem Grund..." Er kniff die Augen ein wenig zusammen. "... glaube ich nicht, dass du zu diesen gehörst."

Elion lachte kurz und sah mit verschränkten Armen zu dem Jäger.
"Glaubst du das, ja?" Klar, es stimmte. Elion selber hatte eine schreckliche Kindheit. Sofern man es als Kindheit bezeichnen konnte... aber hatte der Jäger wirklich so eine gute Menschen- oder besser Vampirkenntnis? "Und wenn doch?" Ein starker Windzug ließ die Haare des Vampirs wehen. Sein Tuch flatterte hin und her und die blutroten Augen funkelten. "Du tötest Vampire nur wenn sie Kinder ermordet haben? Persönliche Erfahrungen, oder was?" Ein Grinsen machte sich unter dem Tuch breit.

"Ich töte sie nicht nur, wenn sie Kinder ermordet haben. Ich töte sie, wenn sie Geschichten auslöschen und grausam alles zerstören, was ihnen in den Weg läuft."
Auch jetzt zierte Kyokos Gesicht ein Grinsen, was man wegen dem Tuch nur durch seine Augen erkennen konnte. Er schob seinen Hut ins Gesicht, sodass es im Schatten lag.
"Außerdem solltest du den Typ mit der Waffe nicht unbedingt provozieren..."

"Ich fürchte mich nicht vor euch Menschen.", erklärte Elio matt und blieb auf der Stelle stehen. Der Jäger grinste, man konnte es an seinen Augen erkennen.
Elion blieb ernst. Würde wohl doch zu einem Kampf kommen. Naja, wenns nicht zu vermeiden war. Um den Jäger wärs wohl eh nicht schade.

"Das ist aber schade... Das solltest du nämlich."
Er packte den Vampir am Kragen und presste ihn gegen einen Baum.
Ausdruckslos hielt er ihm die Pistole unters Kinn und drückte so seinen Kopf hoch.
"Nenn mir einen Grund, weshalb ich jetzt nicht abdrücken sollte...."

Elion wurde an einem Baum gepresst. Doch unternehmen tat er nichts. Er sah den Jäger ausdruckslos an. Mit einer Hand schlug er auf die des Jägers und war von seinem Griff befreit.
"Willst du mir Angst machen?", fragte er tonlos. Auf einmal fing es an zu donnern und viele kohlrabenschwarze Vögel flüchteten aus ihren Baumverstecken. Eine starke Brise wehte durch die langen, schwaz-silbernen Haare des Vampirs.
"Das schaffst du so nicht. Mich kümmert Leben oder Tod nicht." Und das stimmte. Er fürchtete sich nur vor der Gefangenschaft. Davor, ein weiteres Mal eingebuchtet zu werden. Davor viele Experimente durchmachen zu müssen... Aber so ne vergleichsmäßig winzige Waffe interessierte ihn einen Scheiss. "Einen Grund willst du? Du würdest eine Patrone vergeuden, schiessest du mich jetzt ab." Er funkelte den Jäger an. Hätte er kämpfen wollen um sein Leben zu retten, hätte er das schon längst getan. Im Grunde hatte er grad absolut keine Lust auf kämpfen. Sollte er doch sterben. Doch hätte der Jäger ihn wirklich töten wollen, hätte er es doch schon längst getan.

Kyoko drehte sich weg. Er hatte verloren.
Er hatte verloren, ohne gekämpft zu haben. Er brachte ihn nicht um, wenn er sich nicht wehrte. Das war eine seiner Prinzipien. Es gab schlimmere Vampire, an die er die Patronen verschwenden könnte.
Er pfiff nach seinem Ryuuk und stieg auf seinen Rücken.
"Alle Achtung. Nicht schlecht.", grinste er unter seinem Tuch.

Elion hob eine Augenbraue. Ach? Also doch nicht...
"Hm...", nuschelte Elion unter seinem Tuch und verschränkte die Arme.
"Schon vorbei? Ein Vampirjäger sollte sich von so einem Schauspiel nicht überzeugen lassen..." Elion lehnte sich an einen fast pechschwatzen Baum und linste zu dem Jäger rüber. Wieso ging er nicht einfach? Musste er immer seinen Senf dazugeben?

Kyoko schlug lächelnd die Augen nieder und und ritt noch tiefer in den Wald hinein.
Dieser Widerling ging ihm auf die Nerven. Er hatte noch andere Aufträge zu erledigen.
Er zog seinen Hut weiter in die Stirn und trieb Ryuuk an, schneller zu laufen.

Elion sah dem Jäger nach. Sollte er jetzt sagen, dass er Glück gehabt hatte? Naja, mehr oder weniger. Seufzend sah er zu Boden. Was sollte er jetzt machen? Und was würde der Jäger jetzt machen? um die Uhrzeit streunten hier viele Vampire herum. Vielleicht sollte er ihm nachlaufen um zu überprüfen, was der Jäger vorhatte. Elion gab sich einen Ruck und raste lautlos hinter dem Vampirjäger mit seinem seltsamen Tier her.

Fynn rannte keuchend durch den dunklen Wald. Wie lange war er schon auf der Flucht? Er wusste es nicht. Er rannte einfach weiter und hoffte, seine Lunge und seine Beine würden nicht schlapp machen.
Hinter sich konnte er sie hören, diese dreckigen Vampirjäger. Es waren vier an der Zahl und sie jagten ihn schon eine lange Zeit. Gestern schon war er die ganze Zeit vor ihnen abgehauen und hatte gehofft, in diesem Teil des Waldes Erlösung zu finden. Dem war natürlich nicht so. Die Jäger hatten ihn viel zu schnell aufgespürt, als dass er sich erholen konnte und so war er schon wieder auf der Flucht.
Der Vampir hatte panische Angst. Die Jäger schossen mit altmodischen Armbrustpfeilen auf ihn. Ob sie wussten, dass diese Art von Waffen schon seit zwei Jahrhunderten nicht mehr genutzt wurde? Trotzdem verfehlten sie ihr Ziel selten und töteten wirklich alles, was sie trafen. Und auch, wenn es diese einfältigen Menschen nicht glauben wollten, selbst ein Vampir konnte verbluten.
Er rannte weiter und spürte, wie seine Kraft nachließ. Kurz strauchelte er, fing sich aber im letzten Moment noch ab und hastete weiter. Die Jäger hatten schon aufgeholt. Er war sinnlos...
Sein Überlebensinstinkt setzte ein. Er schlug einen Haken und änderte so plötzlich die Richtung, dass er wieder eine Weile Vorsprung hatte. Er musste aus diesem verdammten Wald raus!
Blind vor Angst rannte er einfach weiter, in der Hoffnung irgendwo anzukommen, wo er sich verstecken konnte. Dann hörte er sie wieder. Sie hatten wieder seine Spur aufgenommen und folgten dem Vampir nun auf das offene Gelände. Noch mehr Panik kroch in Fynn hoch. Hektisch sah er sich um. Hier gab es nichts! Und so rannte er wieder. Aber er konnte nicht mehr. Er war einfach zu geschwächt.
Sein Instinkt ließ ihn wieder einen Haken schlagen und er änderte schon wieder seine Richtung. Und dann, wie aus dem Nichts, erschien ein Schloss vor ihm. Hoffnung keimte in Fynn auf. Er konnte nur hoffen, dass das Schloss entweder unbewohnt war oder dort Vampire lebten. Aber er konnte die Jäger nicht hierher führen! Also rannte er erst einmal weiter, wieder in den Wald hinein, hinterließ eine deutliche Spur seines Geruches und dann ging er auf eben dieser Spur wieder zurück zu dem Schloss. Er versteckte sich hinter einem großem Stein, der dort lag, und er hielt panisch die Luft an, als die Vampirjäger an ihm vorbeirannten. Vor soviel Panik begannen auch schon die ersten Tränen aus seinen Augen zu fließen. Wie sehr er doch sein Leben hasste! Kaum waren die Jäger außer Sicht, huschte Fynn in das Schloss.

[-> Eingangsbereich]