Raum des 1. Jahrgangs

Loona öffnete die Tür des Klassenraums und stellte fest, dass sich außer ihr noch keiner dort befand. Seufzend ging sie zu ihrem Platz hinten in der Ecke und setzte sich hin. Sie war immer viel zu früh dran, da sie meist schon gegen fünf Uhr morgends aufwachte und keine Lust hatte lange zu warten bis die Schule anfing. Der einzige Grund warum sie so früh schon wach war, war das sie schon während des Snnenuntergangs zu Bett ging. Um diese Uhrzeit schlief sie einfach am besten ein und warum sollte sie spät ins Bett gehen, wenn sie doch eh schon alles erledigt hatte?

Als Takase in den Klassenraum schlenderte und nur Loona erblickte seufzte er enttäuscht.
Nur die Traumtänzerin.
Immer die selben Leute...
Naja, besser als nichts. Grinsend steuerte er ihren Platz an und schlug mit der flachen Hand auf ihren Tisch, um sie aus ihren Gedanken zu reißen.
"Ey, Nullnummer...", begrüßte er sie hämisch.

Loona blinzelte erschrocken auf und sah in das hämisch grinsende Gesicht ihres Klassenkamerads Takase.
"Ich hab dich gar nicht gehört. Hallo!", begrüßte sie ihn freundlich und lächelte. Er war nie sehr nett zu ihr gewesen, aber irgendwo dran musste es ja liegen. Vielleicht war er so aufgewachsen und brauchte einfach nur Zuneigung. Das dachte Loona bei allen bösen Menschen. Alle sind in ihren Augen missverstandene Leute, die einfach jemanden zum Zuhören brauchen. Das hatte sie von ihrer Granny gelernt.

Takase seufzte genervt. Dass Loona freundlich auf seine Pöbeleien reagierte, war immer so gewesen.
"Wieso bist du eigentlich immer so scheißfreundlich? Oder raffst du echt garnix?!"
Vielleicht dachte sie ja, dass 'Nullnummer' ein netter Spitzname für sie war?
Bei Loona konnte man ja nie wissen...

"Granny hat mir beigebracht so freundlich zu sein.", erklärte sie dem leicht gereizten Takase. "Wenn man immer freundlich zu anderen ist, dann hat man eine viel reinere Seele und fühlt sich auch besser. Das hab ich in einer Zeitschrift gelesen."
Loona las sehr viele kuriose Zeitschriften, die kein anderer in ihrem Alter in die Hände nahm. Und genau diesen Artikel hatte sie aus einer Zeitschrift von ihrer Granny.

"Schwachsinn." Takase schluckte bitter.
"Allein mit Freundlichkeit kommt man nicht durchs Leben."
Takase dachte an seinen Vater, der immer freundlich war und es trotzdem so unendlich schwer hatte.
Wütend wandte er sich der lächelnden Loona zu.
"Und das kannst du deiner 'Granny'" Er verdrehte die Augen, "von mir ausrichten."

"Naja, wenn du meinst." Loona sah wieder aus dem Fenster. "Ich werde es Granny sagen, wenn du das möchtest. Aber für mich gibt es trotzdem keinen Grund gemein zu anderen zu sein." Loona betrachtete einen Baum, der in der Nähe des Fensters stand. Die Blätter wehten hin und her und kleine, bunte Vögelchen spielten darauf fangen. "Sie sind süß, oder?"

"Du erwartest jetzt doch nicht ernstahft, dass ich darauf antworte, Nullnummer?"
Als kleines Kind hätte Takase bestimmt gesagt, wie niedlich sie waren und wie gerne er sie auf die Hand genommen hätte.
Doch jetzt starrte er nur finster blickend aus dem Fenster.
Diese Loona mit ihrer ewigen Freundlichkeit ging ihm auf die Nerven.

"Wieso denn nicht? Magst du keine Tiere?" Verträumt sah Loona einem Vogelpärchen dabei zu, wie sie ihre kleinen Köpfchen aneinander rieben und glücklich piepsten.
Loona lächelte. "Ich find Tiere toll. Weißt du, ich bin auch Vegetarierin.", erklärte sie Takase, den das scheinbar wenig interessierte. "Hast du schonmal gesehen wie sie die Tiere halten, die später auf unseren Tellern sind? Das ist wirklich schrecklich, ich hab eine Doku darüber gesehen."

"Tiere gehen mir am Arsch vorbei.", log Takase und verschränkte die Arme vor der Brust, an die Wand gelehnt.
"Hauptsache, sie schmecken."
Er gähnte.
"Ist mir scheißegal, was die mit denen machen. Ist nicht meine Angelegenheit."
Wenn die jetzt noch freundlich ist, fress ich 'nen Besen...

"Hm, schade das du so denkst. Ich hätte gedacht du magst Tiere.", sagte Loona und sah Takase etwas traurig an. Wirklich eine Schande, dass die meisten Menschen so über das Wohlergehen von Tieren nachdachten.
"Je mehr Tierschützer es gibt, desto besser. Aber naja, da kann man nichts machen." Loona sah wieder aus dem Fenster. Die Vögelchen waren inzwischen weggeflogen.

Na dann, guten Apetit.
Takase seufzte. In Gedanken verspeiste er einen Hexenbesen, doch dann wandte er sich wieder Loona zu.
"Du kaufst einem auch echt alles ab, Einstein."
Er grinste breit und gab ihr einen Klapps auf den Hinterkopf. Dann setzte er sich an seinen Platz und fing an zu kippeln.

Noch im Halbschlaf betrat nun Alice den Raum.
"Morgen" murmelte sie leise und setzte sich auf ihren Platz am Fenster.

"Guten Morgen, Alice.", bgrüßte Loona ihre Mitschülerin und lächelte sie freundlich an. Alice saß genau eine Reihe vor ihr. Vom Charakter her ganz anders als Loona, aber eigentlich war das jeder. "Du siehst müde aus. Hast du schlecht geschlafen? Vielleicht brauchst du einen Traumfänger. Meiner hilft mir wirklich beim einschlafen." Natürlich hatte sie das aus einem Magazin ihrer Granny.

Takase verdrehte nur die Augen und kramte seine Bücher aus der vollgebuttonten Umhängetasche.
Das war ja echt nicht mehr zum Aushalten.
Wie konnte man nur so dämlich sein? Auf die Idee, dass er dämlich war, kam Takase natürlich nicht.

"Einen Traumfänger ?" Alice war etwas verwirrt.
"Hast du das wieder aus einem deiner Zeitschriften? Klingt aber eigentlich ganz interessant..."
Natürlich fand sie es alles andere als interessant, aber sie wollte einfach nur höflich sein.

"Morgen Takase, nette Träume gehabt ?"

"Ja, Granny hat viele Zeitschriften über die verschiedensten Traumfänger. Ich hab schon fünf Stück. Ich kann dir einen geben." Alice klang zwar eigentlich nicht sonderlich interessiert, aber Loona liebte es, seltsame Gegenstände bei anderen beliebt zu machen. Ist ihr zwar noch nie gelungen, doch trotzdem versucht sie es weiter.

"Mhm.", war Takases einfache und kurze Antwort auf Alices Frage.
"Ey, Nullnummer, lass stecken, das interessiert hier doch eh keinen. Du mit deinem dämlichen Hokuspokus-Quatsch."
Demonstrativ gähnte er gelangweilt und streckte sich auf seinem Stuhl.

Matt pfiff fröhlich ein Liedchen vor sich hin, als er den Klassenraum betrat. Außer ihm waren noch seine Mitschüler Alice, Takase und Loona anwesend. Mit keinem der dreien hatte er wirklich viel zu tun, aber dennoch lächelte er sie an. Freundlichkeit war ihm schließlich sehr wichtig. Auch wenn es auf der Welt einige gab, die auf Freundlichkeit pfiffen.
"Guten Morgen", meinte er, als er durch die Reihen ging und sich auf seinem Platz an der Wand nieder ließ. Eigentlich saß er lieber am Fenster, aber ab und zu durfte es auch etwas abwechlsungsreicher sein.

"Ah..." Alice bemerkte das noch jemand den Klassenram betrat. "Guten Morgen Matt". Sie lächelte ihn an.
Dan blickte sie wütend in Richtung Takase. "Takase nett wie immer..."
Alice wandte sich nun endlich wieder Loona zu. "Hm, ja das wäre echt nett Loona."

"Hallo Matt.", flötete Loona freundlich und lächelte dem Neuankömmling entgegen. "Anscheinend sind wir alle Frühaufsteher." Mit einem süßen, aber etwas schrägen Lächeln drehte sie sich wieder zu Alice. "Wenn du magst bring ich dir später einen vorbei. Jetzt ist es zu knapp. Takase, Matt, wollt ihr auch einen? Schließlich hab ich ja genug."

Takase ignorierte sie, denn heute war er wirklich nett und wollte ihr die seelischen Schmerzen ersparen, die sie haben würde, wenn er jetzt ernsthaft etwas darauf antworten würde.
Er warf einen vorsichtigen Blick zu Matt. Matt war okay.
Er ging ihm n icht auf die Nerven, denn er war nicht ganz so aufgedreht und aufdringlich, wie gewisse andere Leute. Takase schaute zu Loona hinüber und tiefe Abneigung und Genervtheit kam hoch.
Erneut begann Takase zu kippeln und schloss einen Moment die Augen.

Matt hatte sich etwas auf seinen Tisch gelegt und spielte mit einer Strähne seines roten Haares. Er sollte sich mal wieder die Spitzen schneiden lassen...
Loonas Frage lenkte seine Aufmerksamkeit von seinen Haaren ab und er sah sie mit schief gelegtem Kopf an.
"Um was geht es denn? Was will ich haben wollen?"
Es war definitiv nicht schön, wenn man in eine Unterhaltung hereinplatzte. Man hatte keine Ahnung, um was es ging. Dann musste man immer so gestört nachfragen. Und irgendwie störte Matt das.